Alles neu macht der Mai

Es ist schon wieder viel zu lange her, dass ich den letzten Beitrag verfasst habe und umso mehr gibt es zu berichten. 2017 hatte viele Hoehen und Tiefen. Neben unserem Besuch in Deutschland der wirklich toll war, hatte Kathi gesundheitlich etwas ins Klo gegriffen. Wir haben unser erstes volles Jahr im gemieteten Haus verbracht und unternommen haben wir auch viel, aber alles der Reihe nach.

Wie war der Urlaub in Deutschland?

Fuer die ersten Tage waren wir bei meinem
Vater untergebracht

Vier Wochen waren wir in der alten Heimat, haben viel erlebt, gelacht und nachgedacht. Ueber was nachgedacht? Klar denkt man auf dem Flug “wie wird wohl alles im alten zu Hause sein?” “Fuehlt man sich da noch wohl?” “Ist es ueberhaupt Urlaub?” “Was hat sich veraendert? Leute, Kultur?”. Die Familie hat sich (zum Glueck) nicht veraendert. Mein Vater hat immernoch einen schier unerschoepflichen Vorrat an kaltem Bier im Keller und meine Mutter hat das cholesterinreiche Kochen auch nicht an den Nagel gehaengt. Bei Kathis Mama, im noerdlich gelegenen Stadtlohn sehen immernoch alle Wohngebiete, (auch die neueren) gleich aus, weshalb man das Haus nicht ohne Kompass und Tagesration verlassen sollte. Irgendwann muessen denen doch mal die roten Steine ausgehen. Nun sind wir auch schon beim optischen Landschaftsbild angelangt, welches einem nach mehr als 3 Jahren West-Kanada extrem auffaellt. Aufgeforstete Waldflaechen die an ein sortiertes Gemuesebeet erinnern, Hochsitze auf jedem Acker, Monokulturen (mir ist noch nie aufgefallen wie viele Maisfelder es in Deutschland gibt, ich habe aber auch frueher nie so darauf geachtet). Im Grunde genommen ist das das krasse Gegenteil von dem Landschaftsbild an das wir uns mittlerweile gewoehnt haben. 

Grieweworscht

Besonders auffaellig waren die Stromleitungen und deren “chaotisch” wirkender Verlauf, der eben einer wesentlich aelteren Infrastrukturplanung geschuldet ist, die sich vom nordamerikanischen Reissbrettplan der einem Schachbrett aehnelt doch sehr unterscheidet. Umso schwerer zu verstehen, dass man es im groessten Teil Kanadas und den Vereinigten Staaten noch nicht geschafft hat in jedem Ort die Versorgungs- und Kommunikationsleitungen in den Boden zu legen. Die naechtliche “Lichtverschmutzung” war zusammen mit dem oft bedeckten Himmel am Tage das Gravierendste. Man merkt den Unterschied extrem wenn man in laendlichen Gegenden unterwegs ist und selbst bei sternenlosem Himmel noch Restlicht von angrenzenden Wohngebieten hat. Das Ganze ist zwar praktisch aber auch sehr gewoehnungsbeduerftig und zu einem gewissen Masse verwirrend.

Bei meiner Mutter waren wir ab Woche 2

 In Alberta haben wir den Luxus die meiste Zeit einen blauen Himmel zu haben und wenige Wolken, sieht super aus, ist aber suboptimal wenn man Kathi’s Haut”farbe” hat, daher bin ich mir sicher, dass zumindest sie den ein oder anderen Tag ohne Sonnenmilch genossen hat. Die naechte in Kanada sind auch durch einen klaren Blick auf die Sterne gepraegt, deren Umrisse durch die duennere Besiedlung und das wenige kuenstliche Licht viel schaerfer wirken. Der Durchschnittsdeutsche hat sich meines Erachtens nicht veraendert und von der Mit-60er Hausfrau die mir in der Dorfsheriff-Rolle unmissverstaendlich die rurale Parkplatzordung vermittelt hat, bis zur Angestellten beim Baecker die sich ungestoert in einer Fremdsprache mit ihrer Freundin unterhalten hatte waehrend man die Frechheit hat und mit einem Einkauf droht, wurde ich nicht enttaeuscht. Beim Lieblingsmetzger war alles wie frueher von “wollen se mol ae Stickl versuche” bis “ich leg ihne noch zwae Gedriggelde noi” gewohnte Urpfaelzer Freundlichkeit. Die 10% Trinkgeld fand ich daher angemessen, eine Anerkennung die in Nordamerika fuer guten Service angebracht ist, meinen Vater aber etwas besorgt hatte, er anschliessend gesagt “WIEVIEL? Bisch Du verrickt? Du treibsch die Preise hoch!”. Wo ich gerade vom Metzger spreche bin ich beim Essen und vorallem bei der Esskultur angelangt. Etwas was ich wirklich sehr schoen fand und genossen habe ist zum einen natuerlich das Essen an sich, was sich schon sehr von der international gepraegten kanadischen Kueche unterscheidet, aber auch die Art und Weise wie dieser Event in Deutschland umgesetzt wird.

Zu Besuch bei Oma

Vorallem die Tatsache, dass die Geissel der Neuzeit von den meisten waehrenddessen nicht beachtet wird: das Smartphone. Ich bin da sicherlich auch kein voranschreitendes Beispiel und schaue alleine schon aus geschaeftlichen Gruenden zu oft auf diese Hirnprotese, aber ich zaehle mich bei sozialen Zusammenkuenften da noch eher zum Light-User. Wir haben in Kanada schon Situationen erlebt, wo Leute zu Besuch kommen und ein Ladegerat fuers Telefon mitbringen um sicherzugehen, dass sie staendig in Kontakt mit der virtuellen Aussenwelt stehen. Das war zwar eins der extremen Beispiele, aber doch recht verstoerend, wenn man das so nicht gewohnt ist (und sich auch daran nicht gewoehnen will). So gemuetlich wie die Esskultur in Deutschland ist, so schnell ist der Alltag. Wir sind nicht umsonst Industrienation Nummer 1 geworden und haben den Ruf der Hocheffizienz mehr als verdient.

Mein Parkverhalten hat zum Eklat mit der oertlichen
Buergerwehr gefuehrt. Die Anfuehrerin sagte, dass ich die
"Blumen" beschaedige.

Die Kassiererin im Supermarkt versucht scheinbar irgendeinen internen Rekord zu brechen, oder vielleicht hat sie auch nur eine Wette mit dem Kerl laufen der im Getraenkelager die Regale einraeumt und die Bierkisten wie beim Ironman ins Regal schmeisst. Ob die Reibungswaerme die meine Lebensmittel dabei abkriegen, wenn sie in Lichtgeschwindigkeit ueber den Scanner gezogen werden, sich negativ auf deren Haltbarkeit auswirken, weiss ich nicht, aber ich bin mir sicher, dass es fuer die Dame an der Kasse nicht gesund ist. “Hallo” “brauchen sie eine Tuete” “Fuenfzehn Euro dreissig” “Wiedersehn”, das ist alles wofuer Zeit ist. Das fand ich irgendwie traurig. Kein: “Haben Sie Plaene fuers Wochenende? Das Wetter soll schoen werden. Die Tomaten kaufe ich fuer mich auch oft; moegen Sie die gerne?”, wie man es mittlerweile gewoehnt ist.

Der Geburtstag von Kathi's Mutter

Neben den Dingen die man nicht vermisst hat, waren nauerlich auch Dinge auf die man sich gefreut hat. So haben wir uns mit vielen Verwandten und Freunden getroffen, gegessen, getrunken und viel gelacht. Wir waren oft auswaerts essen und haben uns zeitweise wie im Urlaub in Osteuropa gefuehlt, da sich die Preise in der Gastronomie doch schon positiv von dem kanadischen Durchschnitt abheben. Was sich ebenfalls vom Durchschnitt abhebte ist der Durchschnitt der Raucher, was moeglicherweise mit den guenstigen Tabakpreisen und weniger strikten Regulierungen fuer Genussmitttel zusammenhaengt. Das Wandern im Pfaelzerwald war auch schoen um Kindheitserinnerungen an Oma und Opa aufzufrischen, die Wanderpfade und Huetten zum Einkehren sind bei uns ja eher unueblich. Alles in Allem war es ein schoener Urlaub, ich habe mich sehr gefreut, dass ich meinen Opa nocheinmal sehen durfte, und dass wir an der Hochzeit meines Bruders teilnehmen konnten. Wir hatten recht viele Ereignisse mit dem Urlaub abdecken koennen.

Auf der Hochzeit meines Bruders mit meiner Schwester Kristin

Der Geburstag meines Vaters und der unserer beider Muetter waren im gleichen Zeitraum unseres Aufenthalts. Mein Onkel ist extra aus Cran Canaria angereist und hat ein paar Tage mit uns bei meiner Mutter verbracht. Besonders gut hat mir die Zeit mit meinen Schwestern getan, die mir hier doch sehr fehlen. Es fuehlte sich tatsaechlich an wie eine Auszeit. Die Abschiede waren nicht so schwer wie in 2014, aber dennoch der weniger schoene Teil dieser Reise.



Was hat sich seit dem letzten Eintrag in der Wahlheimat veraendert?


Kathi arbeitet ein paar Stunden mehr als vorher und ich bin mittlerweile im Management, wir sind aber beide noch bei den gleichen Arbeitgebern.

Bei meiner Mutter im Garten mit meiner Schwester Melanie

Wir sind mittlerweile im zweiten Jahr fleischtechnisch zu 100% Selbstversorger, wenn man das gelegentliche Essen im Restaurant oder bei Freunden ausklammert. Wir haben uns komplett vom industriell produzierten Fleisch losgesagt und uns entschlossen nur noch zu verarbeiten was wir selbst erlegt oder in naher Zukunft auch selbst produziert haben. Ich bin sehr froh, dass wir dieses Leben genau so leben koennen wie wir es momentan tun und ich habe nicht vor das in naher Zukunft zu aendern. Mit der Zeit wird man sehr kreativ und es faellt einem nichtmehr schwer die Lieblingsgerichte entsprechend anzupassen. Rind wird zu Weisswedelhirsch, Huehnchen haben wir von den Vermietern bekommen, Hase gibt es waehrend des Winters regelmaessig und Kragenhuhn bringt ab und an ein wenig Abwechslung. Letztes Jahr habe ich mit einem Freund fuer eine Familie 85 Huehner und 7 Truthaehne geschlachtet, bei denen auch etwas Fleisch als Entlohnung abgefallen ist. Wenn die Angelsaison dieses Jahr erfolgreich ist, gibt es auch die ein oder andere Forelle, Hecht und Zander. Die groesste Veraenderung steht uns jedoch noch bevor: Wir werden Besitzer einer Hobbyfarm! Fuer Stimmungsmusik hier klicken Wir haben ja mehr oder weniger sporadisch immer mal wieder geschaut was es so am Markt gibt, hatten aber nichts gefunden wo es wirklich “klick” gemacht hat.


Aber nun ist es soweit: 12 acre Land (das entspricht etwa 5 hektar, oder der Flaeche von rund 7 durchschnittlich grossen Fussballfeldern). Auf dem Land steht ein schoenes Farmhaus, eine Doppelgarage, eine grosse Werkstatt, eine kleine Werkstatt, ein Huehnerstall, ein Huehnerhaus und was man noch alles so auf einer Farm braucht oder gebrauchen kann. Der neue Wohnort ist oestlich von Wetaskiwin und die naechste angrenzende Siedlung heisst Gwynne.Damit sind wir ein ganzes Stueck weiter von den Arbeitsplaetzen entfernt, aber mit knapp 30 Kilometern Anfahrt noch zu verkraften.

Der letzte Abend vor der Abreise mit meinem Bruder
und meinem Vater (im Hintergrund)

Der Umzug steht in weniger als einer Woche an und wir sind schon am Packen. Anschliessend wird mein Bruder mit seiner Frau in Kanada auf Hochzeitsreise sein und uns zusammen mit einem befreundeten Paerchen besuchen. Meine Schwester kommt auch im July und wird fuer rund 3 Monate in Kanada arbeiten. 2018 wird also definitv nicht langweilig werden und wir werden euch auf dem Laufenden halten.





Das neue zu Hause (Quelle: Google Maps)
Bis zum naechsten Eintrag,

Joe

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